Pfarrer Josef Fleischhacker feierte am 12. Juli 1964 seine Primiz in Straden. Seine erste Messe in der Heimatgemeinde war für ihn etwas ganz Besonderes. Das Priesteramt ist für ihn nach wie vor sein Traumberuf, die Ehelosigkeit sieht er aber als Verstoß gegen die Menschenrechte.
Altpfarrer Josef Fleischhacker erzählt von seiner Primiz
Sie haben am 12. Juli 1964 in Ihrer Heimatgemeinde Ihre erste Messe gefeiert. Was war das für eine Erfahrung?
Für mich persönlich war es äußerst bewegend, weil mir die Entscheidung zu diesem Beruf nicht sehr leicht gefallen ist. Ich habe lange damit gerungen, aber rückblickend darf ich sagen, es war eine gute Entscheidung. Die Primiz selbst war ein großes religiöses Volksfest. Da war alles auf den Beinen und es ist grandios abgewickelt worden.
Zuvor wurden Sie aber zum Priester geweiht ..
Ja, der Weihetag am 5. Juli war äußerst aufregend. Da weiß man: jetzt ist der entscheidende Schritt da, jetzt sagt man die Satzung vor dem Bischof. Ich habe schlecht geschlafen und in der Früh kam dann die Aufregung dazu. Wir haben natürlich im Vorhinein den Einzug in den Dom und die Liturgie geprobt, aber ich war trotzdem nervös. Ein besonders bewegender Moment war für mich, als der Bischof meine Hände gesalbt hat. Er hat mich damit beauftragt, segnende und heilende Hände zu haben. Und das versuche ich bis heute zu tun. Danach war die große Liturgie im Dom. Wir waren an die acht Kandidaten, die geweiht wurden. Davon sind heute ungefähr die Hälfte nicht mehr Priester, die haben sich später für eine Familie entschieden. Und ich glaube vier von uns sind jetzt als Pensionisten noch im Priesteramt. Nach der Priesterweihe sind wir dann mit den Autos über Gnas gefahren und in Grabersdorf habe ich eine Tante gehabt. Dort habe ich das erste Mal den Primizsegen von Gott für die Leute dort erbitten dürfen.
Was ist das Besondere am Primizsegen?
Der erste Segen eines neugeweihten Priesters hatte für die Leute eine unglaublich große Bedeutung. Manche sind stundenlang zu Fuß zu mir gepilgert, um den Segen empfangen – damals hat es ja noch keine Autos gegeben. Für mich war das auch wahnsinnig anstrengend, ich bin dort zwei Stunden gestanden und hab’ den Leuten die Hände aufgelegt und für jeden einzelnen den Segen erbeten. Ich war kräftemäßig am Ende, aber es war für die Leute ganz wichtig.
Dann sind Sie nach Straden weiter gefahren?
Ja, in Straden wurde ich dann von meinen jugendlichen Freunden mit Bannern, Autos und Motorrädern willkommen geheißen. Und auch der Bürgermeister hat mich freundlich empfangen. Danach sind wir in die Pfarre gegangen, hier war am Abend der Gottesdienst, wo ich das erste Mal in der Heimat eine Predigt halten musste. Ich war aufgeregt bis zum Letzten und die Kirche war gesteckt voll. Es war eine Begeisterung und eine Fröhlichkeit spürbar – es war ein sehr schöner Tag.
Wie haben Sie sich auf die Primiz vorbereitet?
Ich habe mich eine Woche lang zurückgezogen im Stift Seckau in Knittelfeld. Dort habe ich eine Woche der Einkehr und des klösterlichen Lebens genossen, und ich konnte mich auf die erste Messfeier konzentrieren. Am 12. Juli war dann hier in Straden die große Messfeier.
Wie lief das ab?
Von der Florianikirche aus gab es einen Einzug mit Glockengeläute und Musik, der ganze Kirchplatz war voller Leute. Es waren sechs bis sieben Priesterkollegen da, die haben alle mit mir die Messe gefeiert. Und mein alter Priesterfreund, Pfarrer Kropf, der damals Dechant von Deutschlandsberg war, hat die Primizpredigt sehr emotional gehalten. Nach der Kirche hat es in meinem Heimathaus ein großes Festmahl mit einer Tafel für 200 Leute gegeben. Meine Eltern haben extra für diese Feier ein eigenes Gebäude dazu gebaut.
Sind Sie der einzige Priester in der Familie?
Ja, das genügt.
Warum haben Sie sich dazu entschieden, Priester zu werden?
Die Grundlage war sicher mein Elternhaus. Meine Eltern waren sehr gläubige Leute. Wir sind jeden Sonntag fünf Kilometer weit zu Fuß in die Kirche gegangen. Wir haben auch daheim gebetet, das Tischgebet war selbstverständlich. Die Mutter hat uns vier Kindern jeden Abend, wenn wir schlafen gegangen sind, mit dem Kreuzzeichen gesegnet. Ich bin dann mit acht Jahren ministrieren gegangen. Ich kann es mir heute gar nicht mehr vorstellen, wie ich das geschafft habe. Ich bin in der Früh um Dreiviertel fünf daheim weg, damit ich um knapp vor sechs in der Sakristei war, um zu ministrieren. Aber das habe ich geschafft, weil ich es gern getan habe, ich war begeistert.
Eines Tages ist der Kaplan dann mit seinem Motorroller bei meinem Heimathaus vorgefahren und hat gesagt “Seppl, sind deine Eltern irgendwo? Ich möchte mit ihnen reden”. Die Eltern haben mir dann gesagt, dass der Kaplan gefragt hat, ob ich nach Graz ins Gymnasium gehen darf. Es war ja eine große Armut bei uns, wir hatten eine ganz kleine Landwirtschaft und kein Geld. Aber der Kaplan hat gesagt, wir werden das schon schaffen. Dann haben wir uns dafür entschieden und ich bin mit der Mutter zur Aufnahmeprüfung nach Graz gefahren und sie haben mich tatsächlich genommen. Im Herbst 1951 habe ich am bischöflichen Gymnasium begonnen – da war ich elf.
Haben Sie die Entscheidung, Priester geworden zu sein, bereut?
Bereut nicht. Aber das durchzustehen, das ist mir sehr schwer gefallen. Da habe ich gekämpft. Ich würde heute liebend gerne wieder Pfarrer werden, aber nie ehelos. Das würde ich nie mehr tun. Wenn ich die Wahl hätte, dass ich mich frei entscheiden kann zur Familie, dann wär’ das wahrscheinlich auch heute mein Traumberuf. Ich habe die Erfüllung gefunden in meinem Beruf und mache heute noch sehr viel. Ich bin fast jedes Wochenende gefragt und gefordert. Und solange die Kräfte reichen, tue ich es gerne. Aber diese Ehelosigkeit ist heute nicht mehr zu verantworten. Leider ist unsere Kurie da weit, weit weg von der Realität und das hängt auch damit zusammen, dass wir fast keinen Nachwuchs haben, fast keine Jungpriester. Der Personalnotstand ist riesig. Es ist eine schlimme Situation.
Glauben Sie, dass sich in nächster Zeit etwas ändern wird?
Wenn, dann muss die Not so groß werden, dass es eine Notwehraktion werden kann. Aus freien Stücken scheint es sich derzeit nicht zu bewegen. Ich traue dem neuen Papst zu, dass er das auch einmal anspricht. Aber was man so hört, ist von ihm in der nächsten Zeit nichts zu erwarten – oder wenig . Aber er wird im Herbst seine Berater holen, und wenn dort die Meldungen kommen, dass überall dieser Notstand da ist in der Seelsorge, dann hoffe ich, dass sich etwas bewegt. Es ist überall Priesternot, egal ob das in Afrika ist oder in Südamerika. Und dort sind viele, viele Priester auch in wilder Ehe mit Familie – sie sind aber trotzdem Priester. Denn ein Afrikaner, der bei seinen Standesgenossen keine Familie hat, der wird auch nicht anerkannt. Das ist in dieser Kultur so. Und in Südamerika leben viele mit ihrer Partnerin und Kindern zusammen und sind trotzdem Pfarrer. Für mich persönlich verstößt diese Ehelosigkeit gegen das Menschenrecht, weil ich nicht die freie Wahl habe, mein Leben zu gestalten. Das sind zwei verschiedene Dinge: Ich will Priester werden, aber ich muss auch die Freiheit haben, zu heiraten. Ich kann mich zur Ehelosigkeit entscheiden, das ist ohne weiteres zu respektieren. Aber ich muss auch die Freiheit haben, mich für eine Familie zu entscheiden. Alles andere ist nicht vertretbar.