Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr.phil. Marlies Raffler ist Sammelexpertin. Mehrere Monographien und wissenschaftliche Beiträge hat die Dozentin am Institut für Allgemeine Geschichte der Neuzeit an der Universität Graz zum Thema bereits veröffentlicht. In einem Interview (mehr zu lesen im Austria-Forum) erzählt sie von der Geschichte des Sammelns und welchen Stellenwert privates Sammeln hat.
Kann man so etwas wie eine Geschichte des Sammelns festmachen? Oder beginnt es wirklich mit den Jägern & Sammlern der Steinzeit?
Das Sammeln als anthropologische Konstante und Notwendigkeit zum Überleben unterscheidet sich wesentlich vom Phänomen „Sammeln“ und dem musealen Sammeln im Speziellen. Letzteres ist bereits für den Alten Orient (Shutruk Nahhunte, König von Elam: Tempelmuseum, Nebukadnezar II. von Babylon: Palastmuseum „Zum Staunen der Menschheit“, Palast der Bel-Shalti-Nannar, Tochter des letzten Königs der Chaldäer im 6.Jh. v. Chr.) nachweisbar.
Gibt es eine Epoche, in der besonders gerne gesammelt wurde?
Eine Konzentration „musealen Sammelns“ in den Kunst- und Wunderkammern der Frühen Neuzeit ist auffällig. Es ist jedoch davon auszugehen, dass vergleichbare Phänomene in fast allen Epochen, vor allem in der Gegenwart, zu konstatieren sind, wo bereits Kinder (Stickeralben, Überraschungsei-Figuren) zu Sammlern werden.
Ist Sammeln ein weltweites Phänomen?
Wenn wir SAMMELN als Überbegriff für das Erkennen von Bewahrenswertem verstehen, als das Zusammentragen, Aufbewahren von Objekten, die für den Sammler subjektiv einen Wert verkörpern, so ist das Phänomen als ein zutiefst menschliches Bedürfnis in vielen Kulturen weltweit zu finden. Sammeln fungiert als Quelle der Selbstdefinition, trägt zur Identitätsfindung bei.
Welchen Stellenwert haben Privatsammlungen in der Geschichte?
Da Privatsammlungen bis zum Aufkommen von Museen neben Landesfürsten und Kirche als Träger musealen Sammelns fungieren, deren Sammlungen zu Beginn des 19. Jh. zum Teil institutionalisiert wurden, kommt ihnen eine herausragende Stellung im Bewahren und Erforschen zu.